Geschichte der Rauten

Erfahren Sie hier alles Historische über weiß-blauen Rauten.

Vor genau 800 Jahren, im Jahre 1204, kam es in Bayern zu einer Fürstenhochzeit, die weitreichende Folgen haben sollte. Ort und Tag sind nicht bekannt, nur die Namen des Brautpaares: Ludmilla und Ludwig. Der Niederaltaicher Abt und Chronist Hermann überliefert nur einen dürren lateinischen Satz:

”Mortuo autem eo, dictam Liudmilam duxit Ludwicus dux Bawarie” was auf Deutsch bedeutet: „als er [Albert III.] aber gestorben war, führte die genannte Ludmilla der Herzog von Bayern in die Ehe”.

Ihre drei Söhne aus erster Ehe sollten die letzten Vertreter ihres Geschlechts werden. Der Sohn aus der Ehe mit Ludwig konnte deshalb knapp vier Jahrzehnte später problemlos das Bogener Erbe antreten, zu dem neben respektablem Besitz im niederbayerischen Donaugau und Böhmen auch das alte Bogener Wappen gehörte: die weißblauen Rauten. So steht eine Hochzeit vor 800 Jahren am Beginn der Weltkarriere für das Markenzeichen Bayerns. Sie führte zur Verknüpfung der alten Grafschaft Bogen mit dem aufstrebenden Geschlecht der Wittelsbacher – eine historische Hochzeit, die noch nicht so berühmt ist wie die Landshuter Hochzeit, dafür fast 300 Jahre früher statt fand und in ihrer Bedeutung für die bayerische Landesgeschichte erheblich größer war und ist.

Ludmilla kam als Tochter des böhmischen Herzogs Friedrich gegen 1170 in Olmütz (Olomouc) zur Welt, in Mähren, in der heutigen Tschechischen Republik, etwa 350 km nordöstlich von Straubing und Bogen. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren das ungarische Königspaar. Zur weiteren Verwandtschaft dort zählte die hl. Elisabeth, eine jüngere Zeitgenossin Ludmillas.

Um 1184/85 nahm der Bogener Graf Albert III. Ludmilla zur Frau - nicht der erste Kontakt des Windberg-Bogener Hochadels ins benachbarte Böhmen. Graf Albert starb im Dezember 1198 an den Folgen eines Kreuzzuges und hinterließ eine Witwe mit drei Söhnen. Sechs Jahre später heiratete sie erneut und stand nun fast drei Jahrzehnte lang als Herzogin von Bayern an der Spitze des Landes. Nach dem Tod ihres zweiten Gatten, der 1231 in Kelheim ermordet wurde, zog sich Ludmilla an die Isar bei Landshut zurück, in die Stadt, die Ludwig der Kelheimer im Jahr seiner Eheschließung gegründet hatte. In Seligenthal, stiftete sie 1232 das erste Zisterzienserinnen-Kloster in Bayern.

Ludmilla starb im August 1240, wurde in Seligenthal begraben und von den Zisterzienserinnen dort bis heute verehrt. Im Kloster Seligenthal findet sich auch die einzige Darstellung der zu feiernden Persönlichkeiten: Holzfiguren des bayerischen Herzogspaares Ludmilla und Ludwig, der Herzog schon mit dem weißblauen Wappenschild, dem alten Bogener, in der Hand.

Ludwig I. (später „Ludwig der Kelheimer”) war die beste Partie des Landes, der amtierende Herzog aus dem Hause Wittelsbach. Dieses Adelsgeschlecht hatte der Kaiser zwar 1180 mit der Herzogswürde in Bayern belehnt, es war aber noch lange nicht Herr im Lande. Mit ihm wetteiferten mehrere bedeutende Familien um die Vormacht, unter ihnen die Grafen von Windberg-Bogen: für zwei Jahrhunderte (von 1050 - 1242) ein einflussreiches Hochadelsgeschlecht im Herzogtum Bayern. Sie waren mit ihrem Territorium beiderseits der Donau, im Gäuboden wie im Bayerischen Wald, kein kleiner Landadel, sondern ein entscheidender Faktor im Machtgefüge des Hochmittelalters. Ihr Hauptwohnsitz zur Zeit Ludmillas Burg stand in Bogen auf dem Schlossberg, nicht auf dem Gipfel des Bogenbergs, auf dem längst das Kloster Oberalteich die Hand hatte.

Aus der Ehe von Ludmilla und Ludwig ist zumindest ein männlicher Nachkomme bekannt, Otto II., „der Erlauchte”. Er erbt und vererbt Ludmillas Gene, letztlich bis hin zum „Märchenkönig” Ludwig II. und den heute lebenden Vertretern aus dem Hause Wittelsbach, die über 700 Jahre die Geschicke Bayerns bestimmen durften. Sie alle sind Nachkommen unserer Ludmilla, der böhmischen Prinzessin und Bogener Gräfin mit ungarischen Großeltern: Einen passenderen Bezug der uralten zur aktuellen zentraleuropäischen Geschichte, zur Osterweiterung der EU im Jubiläumsjahr, kann man sich kaum wünschen! Nach Landshut gründete Ludwig 1218 auch Straubing neu. Mit Sicherheit ein Akt der Machtpolitik gegenüber seinen Bogener Stiefsöhnen, die genau zu diesem Zeitpunkt auf Kreuzzug in Ägypten waren.

Die drei Bogener Söhne Ludmillas sterben alle kinderlos: Mit Graf Albert IV. erlischt das Geschlecht am 15. Januar 1242. Sein Stiefbruder Otto II. von Wittelsbach übernimmt das Land und fügt es dem damals noch recht kleinen Besitz der Wittelsbacher an – und übernimmt, wohl aus Verehrung für seine Mutter, deren Bogener Wappen, die Rauten, in sein Landeswappen.

So ist hier an der niederbayerischen Donau zu einem entscheidenden Zeitpunkt des Mittelalters bayerische Landesgeschichte geschrieben worden, wie sie bayerischer kaum sein kann!
[Husty, Kulturreferent und Archäologe, Landkreis Straubing-Bogen]

Auszug:

  • Großvater: König Geisa II. von Ungarn
    • Mutter: Elisabeth von Ungarn
    • Vater: Friedrich, Herzog und König von Böhmen
      • Ludmilla
        geb. ca. 1170 in Olmütz (Mähren)
        gest. 1240 in Landshut-Seligenthal
      • 1. Ehe ca. 1184 mit Albert III. von Bogen
        gest. nach Kreuzzug 1198
        • Berthold
        • Leopold
        • Albert IV
          kinderlos gestorben am 15.1.1242
          mit ihm erlischt das Geschlecht von Windberg-Bogen
      • 2. Ehe 1204 mit Ludwig I. von Wittelsbach, Herzog von Bayern
        Beiname: Ludwig der Kehlheimer
        ermordet in Kehlheim 1231
        • Otto II., der Erlauchte (1206-1253)
          • spätere Nachkömmen aus dem Wittelsbacher Stammbaum:
            • Max Emanuel (1679-1726)
            • König Ludwig I. (1825-1848)
            • König Ludwig II. (1864-1886)
              „Märchenkönig”
            • Herzog Franz von Bayern